Rethink / Refuse

Anthropolis – Raum ohne Materie, 2023

Huerlemann, Schweiz

Im Jahr 2023 erforschte Stephan Hürlemann gemeinsam mit seinem Team das Potenzial einer neuen Architektur im Metaverse. Dabei stellten sie sich die Frage: Wie kann eine authentische Architektur im Metaverse, der dreidimensionalen Version des Internets, aussehen?

Wie gestaltet man Räume ohne physikalische Gesetzmässigkeiten? Was sind Oberflächen, wenn es keine Materie gibt? Wie entsteht Atmosphäre in einer entmaterialisierten Welt? Und wie viel Vertrautheit braucht es in einer so fremden Umgebung?

Mit Anthropolis entwirft Hürlemann eine schwebende, entmaterialisierte Architektur, die sich radikal vom klassischen Bauverständnis löst. Schwerkraft, Naturgewalten und Materialgrenzen existieren im Metaverse nicht – also wird Raum neu gedacht: Der Grundriss wird zur Wegführung, Wände zu Orientierungshilfen, Decken zu Projektionsflächen. Überall entstehen Bühnen für identitätsstiftende Objekte. Hoch aufgelöste, natürliche Elemente wie schwebende Baumstämme, Pilze oder Gräser bringen Leben, Zeit und Vertrautheit ins digitale Nichts. Klänge wie Wind oder Vogelstimmen wecken ein Gefühl von Heimat und intensivieren das immersive Raumerlebnis, das für Gespräche, Ausstellungen und Begegnungen konzipiert ist.

Gleichzeitig stellt Hürlemann die Frage: Wollen wir die Gestaltung dieser neuen Welt allein den Gamedesigner:innen und Marketingplaner:innen überlassen? Oder sollten wir Architekt:innen der realen Welt das Metaverse mitgestalten? Denn schon heute entstehen im Metaverse Tausende neue Räume – oft geprägt von Tech-Konzernen, die virtuelle Realität als Kopie der physischen Welt verstehen. Mit dem Launch von Geräten wie Apples Vision Pro wird sich die Verschmelzung von digitalem und realem Raum noch beschleunigen. Anthropolis setzt hier einen poetischen Kontrapunkt – und ruft Architekt:innen dazu auf, ihre Perspektiven und gestalterische Verantwortung auch in der virtuellen Welt einzubringen.

Anlass für die Entwicklung von Anthropolis war für Stephan Hürlemann die Frage, wie wir künftig verantwortungsvoller miteinander kommunizieren können. Jährlich finden weltweit hunderte Millionen Geschäftsreisen statt – für Meetings, Kongresse, Messen. Das belastet unsere Umwelt massiv. Könnten solche Formate künftig auch in gut gestalteten virtuellen Räumen stattfinden, in denen sich Menschen wirklich wohlfühlen?

Für Hürlemann steht dabei nicht das Digitale im Zentrum, sondern die reale Welt: Es geht ihm darum, unsere physische Umwelt schöner und lebenswerter zu gestalten – unter anderem, indem wir sie durch klug eingesetzte virtuelle Alternativen entlasten.

Projekt-Team: Andrin Bührer, Julian Wasem und Oliver Sahli